Herausforderung Erziehung: Ein Experte gibt Tipps

Kindererziehung stellt Eltern vor viele Herausforderungen.

Um Ihnen Hilfestellung bei der Erziehung geben zu können, hat die Redaktion typische Situationen aus dem Erziehungsalltag vom Erziehungsexperten und Diplom-Psychologen Thomas Dirscherl analysieren lassen. Seine Tipps basieren auf den Erkenntnissen des Erziehungsmodells Triple P.

Eine gute und stabile Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern ist natürlich die Grundlage für jede gelingende Erziehung. Zwei allen Beispielen gemeinsame und besonders wichtige Leitfragen sind: „Was lernt mein Kind dabei?“ und „Was möchte ich ihm fürs Leben mitgeben?“ Mit diesen beiden Fragen im Hinterkopf eröffnen sich Eltern oft neue Perspektiven auf bekannte Situationen.

Ein Sommerkleid bei kühlem Schauerwetter?

Johanna, dreieinhalb Jahre alt, liebt rosa Kleidchen und würde im Sommer am liebsten jeden Tag eines anziehen. Auch, als es eines Morgens windig und kühl ist und die Mutter auf einer wärmeren Hose besteht. Wie verhält sich die Mutter richtig?

Thomas Dirscherl: Natürlich hat die Gesundheit des Kindes hohe Priorität und Kinder in diesem Alter sind meist nicht in der Lage, vorausschauend alle Konsequenzen ihres Verhaltens abzusehen. Gleichzeitig ist dies eine Situation, in der die Mutter die Eigenständigkeit von Johanna fördern kann. Ein Kompromiss wäre in diesem Fall ideal. Dies könnte beispielsweise auch bedeuten, dass Johanna ihr Lieblingskleid über einer Hose trägt.

Taub auf beiden Ohren?

Benjamin ist vier Jahre alt und macht nahezu nichts von dem, was die Eltern von ihm erwarten. Außerhalb der eigenen vier Wände verhält der Junge sich besonders auffällig. Wie neulich bei Bekannten. Benjamin hatte ein Schleckeis gegessen, warf anschließend den Stiel auf den Boden der Terrasse und rannte weg. Als seine Mutter rief und ihn mehrmals aufforderte, den Stiel in den Müll zu werfen, lachte der Junge nur. Natürlich hob er den Stiel nicht auf. Was tun?

Thomas Dirscherl: Wenn Mama hier nachgibt, wird Benjamin lernen, dass er machen kann, was er will. Mit der wahrscheinlichen Konsequenz, dass die Probleme zunehmen. Die Eltern tun gut daran, im Vorfeld einige wenige Regeln aufzustellen. Das kann die Besuchsatmosphäre entspannen. In der konkreten Konfliktsituation müssen die Eltern Benjamins Aufmerksamkeit gewinnen und klare, ruhige Anweisungen geben.

Besonders wichtig ist es, unmittelbar auf Benjamins Verhalten sinnvolle Konsequenzen folgen zu lassen. In unserem Beispiel könnte dies beispielsweise sein, dass Benjamin statt zu spielen bei den langweiligen Erwachsenen sitzen bleiben muss, bis er den Stiel aufgehoben hat. Gleichzeitig sollte angemessenes Verhalten von Benjamin auch mit positiver Aufmerksamkeit durch die Eltern belohnt werden.

Rumpelkammer Kinderzimmer

Clara, drei Jahre alt, hatte Besuch von zwei Freundinnen. Als die Mädchen nach Hause gehen, ist das Zimmer kaum noch begehbar. Puzzleteile, Malstifte und Teile aus dem Spielzeugarztkoffer liegen auf dem Teppich verstreut. Die Dreijährige mag auch nach Aufforderung nicht aufräumen, bittet die Mutter immer wieder um Mithilfe und jammert. Soll die Mutter helfen?

Thomas Dirscherl: Mit drei Jahren ist Clara noch nicht in der Lage, ihr Zimmer ganz alleine aufzuräumen. Es wäre daher angemessen, wenn die Mutter ihr dabei hilft. Gleichzeitig könnte sie Claras Selbstständigkeit fördern, indem sie ihr einfache, konkrete Instruktionen zum jeweils nächsten Schritt gibt.

Konkret könnten das Anweisungen wie „Leg die Puzzleteile in den Karton“ oder Fragen wie beispielsweise „Weißt du noch, wo die Malstifte hineinkommen?“ sein. Spaß und Leichtigkeit kommen hinzu, wenn Claras Mutter ein Spiel oder sogar einen kleinen Wettbewerb daraus macht.

Schüchtern auf dem Spielplatz

Sara (4) ist ein vergnügtes und quirliges Mädchen. Doch sobald sie auf dem Spielplatz zu viele fremde Kinder um sich herum hat, wird sie unsicher und schüchtern. Sie wehrt sich beispielsweise nicht, wenn andere Kinder sich an der Rutsche vordrängeln.

Thomas Dirscherl: Die Eltern müssen Claras Selbstbewusstsein stärken. Dazu ist es wichtig, dass sie Clara konkrete Ideen und Anleitung für sozial kompetentes Verhalten geben, z. B. durch gezielte Fragen und gemeinsame Überlegungen zu den Konfliktsituationen auf dem Spielplatz. Rollenspiele können hier sehr sinnvoll sein. Ganz wichtig ist natürlich, dass Clara immer dann, wenn sie sich sozial kompetent verhalten hat, gezielt und zeitnah gelobt wird.

Unabhängig davon, ob sie sich in der jeweiligen Situation tatsächlich auch durchsetzen konnte. Da auch hier die Übung den Meister macht, reicht es, wenn Claras Eltern für ausreichend „Übungs-Gelegenheiten“ sorgen und zum Beispiel den Spielplatz noch häufiger besuchen.

Wann sich alleine anziehen?

Seit er drei ist, kann Max sich alleine anziehen. Er kann, tut es aber nicht. Auch mit seinen jetzt fünf Jahren noch nicht. Jeden Morgen ist seine Mutter gestresst, weil Max beim Anziehen derart trödelt, dass sie fast immer zu spät in den Kindergarten kommen.

Thomas Dirscherl: Max braucht offensichtlich Belohnungen. Die Mutter könnte gemeinsam mit dem Fünfjährigen festlegen, wie diese Belohnungen aussehen könnten. Beispielsweise darf Max sich etwas Besonderes zum Frühstück wünschen oder eine anschließende gemeinsame Aktivität auf dem Weg zum Kindergarten.

Oft hilft eine Punktekarte weiter. Dabei kann Max Punkte oder Smileys sammeln, die er in zuvor vereinbarte Belohnungen tauschen darf, beispielsweise wenn er es geschafft hat, in einer Woche dreimal pünktlich fertig zu werden. Eine weitere Möglichkeit, die Situation etwas zu entspannen, ist, entsprechend früher aufzustehen.

geschrieben von: Ja zum Kind

Foto: © JackF – Fotolia.com

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