Nicht jedes Wehwehchen bei Kindern muss man sofort mit Medikamenten bekämpfen. Aber oft genug braucht das kindliche Immunsystem gezielte Unterstützung, um mit Krankheitserregern fertig zu werden. Allerdings gelten für die Medikamenteneinnahme bei den Kleinsten besondere Vorsichtsmaßnahmen.
Es trifft unsere Kinder in den ersten Lebensjahren besonders heftig: Beinahe unentwegt leidet der Nachwuchs unter Triefnase und Hustenreiz. Und legen die Erkältungsviren endlich einmal eine kleine Sommerpause ein, lässt die Magen-Darm-Infektion nicht lange auf sich warten. Auch schmerzhafte Mittelohr- und Mandelentzündungen machen vielen Babys und Kleinkindern immer wieder zu schaffen. Warum kleine Kinder besonders infektanfällig sind, lässt sich leicht erklären: Ihre körpereigenen Abwehrkräfte sind noch nicht voll ausgebildet, so dass Krankheitserreger ein leichtes Spiel haben. Neben Infektionskrankheiten machen unseren Kids auch viele andere Beschwerden zu schaffen: Allergien, Kopfschmerzen, Bauchweh und Insektenstiche gehören dazu.
Bloß keine Experimente
Bei Fieber, Schnupfen, Schmerzen & Co. greifen viele Eltern dann schnell zu Medikamenten, um ihrem Kind Linderung zu verschaffen und die Genesung zu beschleunigen. Doch Vorsicht: In Bezug auf Kinder und Arzneimittel gelten besondere Regeln. Und die sollten Eltern im Interesse ihres Kindes immer beachten: Medikamente für Erwachsene dürfen Kindern auf keinen Fall auf eigene Faust verabreicht werden – auch nicht in halber Dosierung. Denn viele Präparate sind ausschließlich für die Behandlung Erwachsener zugelassen und für Kinder vollkommen ungeeignet oder sogar gefährlich. Selbst die vermeintlich harmlose Kopfschmerztablette kann bei Kindern schwere Nebenwirkungen nach sich ziehen. Babys im ersten Lebensjahr sollte man grundsätzlich nie ohne Rücksprache mit dem Arzt mit Medikamenten behandeln. Für die Größeren gilt: Bei unklarer Ursache der Beschwerden gehört das Kind ebenfalls in die Hände des Kinderarztes. Für die Selbstbehandlung ihres Sprösslings (z. B. bei Erkältungen) dürfen Eltern nur Arzneimittel verwenden, die als für Kinder geeignet ausgewiesen sind und entsprechende Dosierungshinweise im Beipackzettel aufführen. Apothekerinnen und Apotheker beraten sie dabei selbstverständlich. „So viel wie nötig – so wenig wie möglich” heißt grundsätzlich die Devise in Bezug auf Kinder und Arzneimittel. Ganz klar: Nicht bei jeder leichten Befindlichkeitsstörung ist es notwendig, sofort in den Medizinschrank zu greifen. Oft ist es sinnvoll, den Beschwerden zunächst mit sanften Hausmitteln, viel Aufmerksamkeit und liebevoller Pflege zu Leibe zu rücken. Fiebersenkende Wadenwickel zählen in der Kinderheilkunde ebenso zu den nebenwirkungsfreien Klassikern wie Wärmflasche, Fencheltee und „Zwiebelsäckchen”.
Weniger ist manchmal mehr
Auf der anderen Seite gilt natürlich auch: Bei stärkeren Beschwerden oder ernsthaften Erkrankungen führt kein Weg an einer medikamentösen Behandlung vorbei. Dann ist es ganz wichtig, dass Eltern in Bezug auf die Einnahme Folgendes beachten: Für Kinder sind Säfte, Tropfen oder Zäpfchen oft besser geeignet als Tabletten oder Kapseln, die die Kleinen nur schwer schlucken können. Flüssiger Medizin sind oft Geschmacksstoffe zugesetzt, die den typischen Arzneigeschmack überdecken. Säfte, Tropfen & Co. müssen Eltern jedoch immer genau abmessen, damit dem Sprössling auch die richtige Menge verabreicht wird. Grundsätzlich dürfen Eltern die vom Arzt verordnete Dosis nicht verändern. Auch an die verordnete Dauer der Einnahme müssen sich Eltern halten. Selbst wenn es dem Kind nach kurzer Zeit wieder deutlich besser geht, dürfen vor allem Antibiotika auf keinen Fall einfach abgesetzt werden. Wird das Medikament nämlich zu kurz gegeben, sind die Krankheitserreger noch nicht ausreichend abgeschwächt. So kann es zu einem Rückfall kommen, der in der Regel deutlich schwerer verläuft als die ursprüngliche Erkrankung. Wenn das Kind ein wichtiges Medikament (z.B. ein Antibiotikum) wieder ausspuckt oder sich kurz nach der Einnahme erbricht, sollten Eltern den Kinderarzt informieren. Er entscheidet, ob und in welcher Dosis das Mittel noch einmal verabreicht werden muss. Bereitet die Einnahme bestimmter Arzneimittel grundsätzlich Probleme, so sollten Eltern ebenfalls mit dem Arzt darüber sprechen. Eventuell ist es möglich, anstelle der ungeliebten Zäpfchen einen Saft zu verordnen oder die bittere Medizin zu verdünnen.
Problemfall: Seltene Erkrankung
Gegen typische Kinderkrankheiten und häufige Infektionen gibt es heute viele wirksame Arzneimittel, die speziell für Kinder zugelassen sind und von den Kleinen in der Regel recht gut vertragen werden. Schwierig wird die Medikation jedoch, wenn der Nachwuchs unter einer schweren oder bei Kindern sehr seltenen Krankheit leidet. Hier gibt es leider oft keine speziellen Kinderarzneimittel. Ein Grund: Um Kinderarzneimittel auf den deutschen Markt bringen zu können, müssen diese auch an Kindern getestet werden. Verständlicherweise sind jedoch viele Eltern nicht bereit, ihr Kind an einer Studie zur Erforschung der Wirksamkeit teilnehmen zu lassen. Tritt eine Krankheit bei Kindern selten auf, so ist es gleich doppelt schwierig, kleine Patienten für klinische Studien zu finden. Wenn keine Kinderarzneien verfügbar sind, bleibt Ärzten also oft keine andere Möglichkeit, als dem Nachwuchs Medikamente zu verordnen, die eigentlich nur für Erwachsene bestimmt und an Erwachsenen getestet sind. Diese richtig zu dosieren, ist nicht immer einfach und erfordert viel Erfahrung des behandelnden Mediziners. Natürlich ist es in diesen Fällen gleich doppelt wichtig, dass sich Eltern ganz exakt an die Verordnung des Arztes halten, um das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren.
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen
Wenn Kinder wegen einer schweren Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden müssen oder chronisch krank sind, befinden sich die behandelnden Ärzte oft in einem Dilemma. Anders als Medikamente gegen häufige Kindererkrankungen wie Fieber, Husten, Schnupfen, Schmerzen und Entzündungen sind die meisten Arzneimittel nur für die Behandlung von Erwachsenen zugelassen. Weil ihre Wirkungen bzw. Nebenwirkungen auf den kindlichen Organismus nicht ausreichend erforscht sind, setzen sich immer mehr Gesundheitsexperten und Kinderärzte wie Prof. Dr. Dietrich Reinhardt, Direktor der Dr. von Haunerschen Kinderklinik in München, anlässlich einer Veranstaltung der „Hexal-Initiative Kinderarzneimittel” dafür ein, Arzneimittel vor ihrer Zulassung auch in klinischen Studien mit Kindern zu testen.
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