Viele Kinder leiden unter Schwerhörigkeit, drei von 1000 Babys kommen bereits mit einer gravierenden Hörstörung zur Welt. Ganz wichtig ist es, das Problem möglichst früh zu erkennen und konsequent zu behandeln. Denn dann stehen die Chancen gut, dass sich der Nachwuchs trotzdem gesund entwickelt.
Viele Hörstörungen im Kindesalter sind angeboren. Die Erbanlagen sowie Komplikationen während der Schwangerschaft oder unter der Geburt können dafür verantwortlich sein. So ist beispielsweise bekannt, dass bestimmte Infektionskrankheiten der werdenden Mutter oder Sauerstoffmangel während der Geburt das Innenohr des Kindes dauerhaft schädigen können.
Aber auch Kinder, die mit völlig gesunden Ohren zur Welt kommen, sind vor Hörstörungen nicht sicher. Zahlreiche Faktoren können die Probleme verursachen: Infektionskrankheiten wie Meningitis (Hirnhautentzündung), Masern und Keuchhusten gehören dazu. Im schlimmsten Fall können diese Krankheiten bis zur Taubheit führen. Ebenfalls möglich, dass bestimmte Medikamente Hörstörungen hervorrufen.
Vorsicht bei Lärmbelastung
Ein nicht zu unterschätzendes Problem ist die Lärmbelastung empfindlicher Kinderohren. Laute Musik, die ständig an die Ohren dringt, oder permanente Berieselung aus dem Fernsehapparat können das Gehör angreifen. Als besonders gefährlich stufen Experten kurze, laute Geräusche ein, die beispielsweise durch Spielzeugpistolen oder Silvesterböller abgegeben werden.
Ein einziger derartiger Knall reicht aus, um das Gehör in Sekundenschnelle für immer zu schädigen. Je näher die „Waffe” ans Ohr kommt, umso fataler die möglichen Folgen. Eltern sollten ihre Kinder auf diese Gefahren hinweisen. Im Gegensatz zu Lärmschäden können Eltern angeborenen oder durch Krankheit entstandenen Hörstörungen leider nicht grundsätzlich vorbeugen. Wichtig ist es jedoch, das Problem möglichst früh zu erkennen und entsprechend zu behandeln.
Verzögerte Sprachentwicklung
„Schwerhörige Kinder haben seltener, gehörlose Kinder nie die Gelegenheit, Sprache in einem Zusammenhang zu erleben, der die richtige Deutung der Sprache und damit ihr Verständnis ermöglicht”, schreibt Prof. Dr. med. Annerose Keilmann, leitende Oberärztin der Klinik für Kommunikationsstörungen der Universität Mainz, in ihrem Elternratgeber „Kann mein Kind richtig hören?” (Urania Ravensburger Verlag). Abhängig vom Grad der Schwerhörigkeit verläuft die Sprachentwicklung hörgeschädigter Kinder natürlich sehr unterschiedlich.
Während es bei schwacher Hörbehinderung häufig lediglich zu Fehlern bei den Zischlauten kommt, sprechen Kinder mit mittelgradiger Schwerhörigkeit ihr erstes Wort durchschnittlich erst mit 21 Monaten, die ersten Mehrwortsätze mit 36 Monaten. Zum Vergleich: Normalhörige Kinder sind nur etwa halb so alt, wenn sie diese Entwicklungsstufe erreicht haben. Bei unbehandelter hochgradiger Schwerhörigkeit sind betroffene Kinder oft schon zweieinhalb Jahre alt, ehe sie ihr erstes Wort sprechen.
Auch die Seele leidet
Doch nicht nur die Sprachentwicklung wird von Hörstörungen nachhaltig beeinträchtigt. Auch psychisch leiden die Kleinsten: „Wird die Hörstörung eines Kindes von seiner Umgebung nicht bemerkt, muss sich das Kind immer wieder abgelehnt, ungerecht behandelt und falsch verstanden fühlen”, schreibt Annerose Keilmann. Sei es, weil es tröstende Worte nicht wahrnehmen kann oder weil es Aufforderungen nicht versteht und entsprechend nicht befolgen kann.
Schnell gilt das schwerhörige Kind deshalb als ungehorsam, wird von den Eltern vielleicht sogar bestraft. Doch so weit muss es glücklicherweise nicht kommen: Viele Hörprobleme im Baby- und Kleinkindalter werden bei den Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt (U-Untersuchungen) entdeckt. Wichtig deshalb, diese wichtigen Termine wahrzunehmen und den Arzt wahrheitsgemäß über den Entwicklungsstand des Nachwuchses zu informieren.
Darüber hinaus sollten Eltern ihr Kind genau beobachten, um möglichen Hörschwächen so früh wie möglich auf die Schliche zu kommen. Manche vorübergehende Hörstörungen lassen sich durch Medikamente oder operative Eingriffe beseitigen. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn eine Erkrankung des äußeren Ohres (z. B. Gehörgangsentzündung) oder des Mittelohres (z. B. akute Mittelohrentzündung) zu Hörproblemen führt.
Bei bleibenden Störungen werden Kindern hingegen in aller Regel Hörgeräte angepasst, wodurch sich das Hörvermögen bei den meisten kleinen Patienten deutlich verbessert. Auch für Kinder, die so schlecht hören, dass ihnen selbst mit einem Hörgerät nicht zu helfen ist, gibt es Hoffnung: Ein elektronischer Ersatz des Innenohres, in der Fachsprache als Cochlear-Implant bezeichnet, ermöglicht ihnen oft die Aussicht auf eine normale Kommunikationsfähigkeit.
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