Jungen ticken anders

Sie lesen Folgendes und nicken? Ergeht es Ihnen wie der Mutter von Felix? Lassen Sie sich nicht entmutigen, aber machen Sie sich auf mannhaften Widerstand gefasst. Jungs und Mädchen ticken anders.

Das Phänomen mit den Schimpfworten

„Fang mich doch, du Eierloch, du fettverschmierte Leberwurst, du frisch gepudertes Affengesicht“, schallt es durch die Spielstraße. Dort wohnen nette Familien mit Kindern in gepflegten Reihenhäusern. Ich höre genauer hin und mein Verdacht bestätigt sich: Die liebliche Stimme gehört meinem Sohn Felix. Der entpuppt sich mit fünf Jahren zu einem wahren Sprachgenie. Jedes anspruchsvolle Schimpfwort kommt flüssig und fehlerfrei über seine Lippen.

Junge draussen unterwegs im Klettergeruest

Jungen sind eben anders, © Kathleen Rekowski – Fotolia.com

Mit zwei großen Schritten eile ich an die Haustür. Ich befördere Felix ins Haus. Ich verspüre das spontane Bedürfnis, meinem Sohn kräftig den Hintern zu versohlen. Das unterdrücke ich aus pädagogischen Gründen. Ungestraft kommt der Schimpfworte schmetternde Junge nicht davon: Den Rest des sonnigen Nachmittags muss der Kleine in seinem Zimmer verbringen. So denkt er über sein Verhalten nach. Ich frage mich: Was habe ich bei seiner Erziehung falsch gemacht?

Die Unterschiede im Kindergarten

Als mein Mädchen Sarah noch im Kindergarten war, verhielt sie sich anders: Sie spielte fantasievoll mit Puppen und Bausteinen. Sie verursachte weder Zoff noch Chaos und zeigte kein Interesse an Schimpfwörtern. Nicht einmal ein harmloses „Blödmann“ kam über ihre Lippen. Als Sarah noch Einzelkind war, verstand ich die Eltern nicht, die ihren Nachwuchs „nicht im Griff“ hatten:

Kindergartenkinder. Sie zerrissen die Bücher. Sie gingen mit Fäusten aufeinander los. Sie schmeißen sich heulend auf den Boden und beschimpfen ihre Eltern . Ich konnte sie nicht ausstehen.

Und nun war ich selbst stolze Mutter eines solch chaotischen Jungen. Richtig zur Sache ging es, als Felix kurz nach seinem dritten Geburtstag in den Kindergarten kam: Hier fiel er gleich durch seine große Klappe auf. Er legte sich mit Fünfjährigen an und scheute sich nicht, die Erzieherinnen herauszufordern.

„Eins, zwei, drei – ich schlag alles zu Brei“, lautete der geistreiche Text eines Reimes: So brachte Felix seine Wertschätzung für die Einrichtung des Kindergartens zum Ausdruck. Das erste Elterngespräch folgte. Im Kindergartenalter entdeckte Felix seine Leidenschaft für „Eierlöcher“ und „Affenärsche“.

 Alle Jungen sind gleich

Ernsthaft überlegten mein Mann und ich, ob Felix ein Kandidat für den Kinderpsychologen sei. Wir entschieden uns, uns unseren engsten Freunden anzuvertrauen. Ich erzählte beim nächsten Grillabend mit hochrotem Kopf:

Felix sticht Ameisen ab. Er bezeichnet nette Mädchen als „dämliche Sumpfschnepfen““ Ich blickte ich nicht in entsetzte, sondern in verständnisvolle bis erheiterte Gesichter. So erfuhren mein Mann und ich: Ähnliche Szenen gehören in anderen Familien auch zum Alltag!

Und auf ihre eigene Art liebenswert

So besprachen wir sämtliche Schandtaten und Schimpfwörter der kleinen und größeren Söhne. Dann erzählten die Männer aus ihrer eigenen Kindheit und klopften sich dabei vor Freude auf die Schenkel. „Mama, ich hab fertig nachgedacht“, reißt mich die Stimme meines Sohnes aus meinen Gedanken.

„Ich klettere nicht mehr auf Dächern rum, weil das ja viel zu gefährlich ist!“, erklärt mein Sohn vernünftig. „Aber die Clara ist trotzdem ein ziemlich blödes Eierloch“, fügt er schnell als Schimpfwort hinzu und zerstört meine Hoffnung auf Besserung.

Ich setze mich zu Felix auf den Boden und spreche lange mit ihm. Es geht über Jungen und Mädchen, über Streiten und Vertragen. Schließlich über schlimme und weniger schlimme Schimpfwörter. „Mama, ich hab dich ganz doll lieb“, unterbricht Felix meinen Redefluss und nimmt mich fest in den Arm. In diesem Moment wird mir bewusst, dass Jungen anders ticken, aber auf ihre Weise liebenswert sind.

geschrieben von: Ja zum Kind

 

Kategorien: Familie